Gesetzeslage in Österreich

Staatlicher Umgang zum Schutz von Gewalt und Missbrauch

Die Gesetzeslage zum Schutz vor und Aufarbeitung von systemischem Machtmissbrauch in Schule, Kirche oder Verein, Gewalterfahrung im privaten Umfeld, missbrauchtes Vertrauen durch Pädagoginnen und Pädagogen oder Obsorgetragende, Misshandlung oder Missbrauch im Kindes- und Jugendalter, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gebessert.

Die folgenden Gesetze sind als rechtliche Basis dafür vom Gesetzgeber erarbeitet worden.

Inhaltsverzeichnis
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    Gewaltverbot

    In Österreich ist jegliche Form von Gewaltanwendung als Erziehungsmittel untersagt. Österreich hat als weltweit viertes Land (nach Schweden, Norwegen und Finnland) das zentrale Kinderrecht auf gewaltfreies Aufwachsen gesetzlich festgeschrieben: “ …Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig. Soweit tunlich und möglich sollen die Eltern die Obsorge einvernehmlich wahrnehmen.“ (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, § 137) Seit 2011 steht das in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verankerte Recht des Kindes auf Schutz vor jedweder Form von Gewalt, vor Misshandlung, Vernachlässigung, sexuellem Missbrauch oder Ausbeutung (Art. 19) in Österreich in Verfassungsrang. Mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte der Kinder hat der Nationalrat ein gesellschaftspolitisches Signal gesetzt und das umfassende Wohl von Kindern und Jugendlichen zu den grundlegenden Staatszielen erklärt. Im Artikel 5 heißt es: (1) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung. (2) Jedes Kind als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung hat ein Recht auf angemessene Entschädigung und Rehabilitation. Das Nähere bestimmen die Gesetze.“

    Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern

    Der Nationalrat hat am 20. Jänner 2011 das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, womit zentrale Bestimmungen des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes in Verfassungsrang gehoben wurden, mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ beschlossen. Am 16. Februar 2011 trat das BVG Kinderrechte in Kraft.

    Artikel 1

    Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

    Artikel 2

    (1) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.

    (2) Jedes Kind, das dauernd oder vorübergehend aus seinem familiären Umfeld, welches die natürliche Umgebung für das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder ist, herausgelöst ist, hat Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.

    Artikel 3

    Kinderarbeit ist verboten. Abgesehen von gesetzlich vorgesehenen begrenzten Ausnahmen darf das Mindestalter für den Eintritt in das Arbeitsleben das Alter, in dem die Schulpflicht endet, nicht unterschreiten.

    Artikel 4

    Jedes Kind hat das Recht auf angemessene Beteiligung und Berücksichtigung seiner Meinung in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten, in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise.

    Artikel 5

    (1) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung.

    (2) Jedes Kind als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung hat ein Recht auf angemessene Entschädigung und Rehabilitation. Das Nähere bestimmen die Gesetze.

    Artikel 6

    Jedes Kind mit Behinderung hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die seinen besonderen Bedürfnissen Rechnung tragen. Im Sinne des Artikel 7 Abs. 1 B-VG ist die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Kindern in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.

    Artikel 7

    Eine Beschränkung der in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 dieses Bundesverfassungsgesetzes gewährleisteten Rechte und Ansprüche ist nur zulässig, insoweit sie gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

    Artikel 8

    Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

    Obsorge der Eltern § 177 ABGB

    (1) Beide Elternteile sind mit der Obsorge betraut, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes miteinander verheiratet sind. Gleiches gilt ab dem Zeitpunkt der Eheschließung, wenn sie einander nach der Geburt des Kindes heiraten.

    (2) Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so ist allein die Mutter mit der Obsorge betraut. Die Eltern können aber vor dem Standesbeamten persönlich und unter gleichzeitiger Anwesenheit nach einer Belehrung über die Rechtsfolgen einmalig bestimmen, dass sie beide mit der Obsorge betraut sind, sofern die Obsorge nicht bereits gerichtlich geregelt ist. Die Bestimmung wird wirksam, sobald beide Eltern persönlich vor dem Standesbeamten übereinstimmende Erklärungen abgegeben haben. Innerhalb von acht Wochen ab ihrer Wirksamkeit kann die Bestimmung ohne Begründung durch einseitige Erklärung eines Elternteils gegenüber dem Standesbeamten widerrufen werden. Vorher gesetzte Vertretungshandlungen bleiben davon unberührt.

    (3) Die Eltern können weiters dem Gericht – auch in Abänderung einer bestehenden Regelung – eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge vorlegen, wobei die Betrauung eines Elternteils allein oder beider Eltern vereinbart werden kann.

    (4) Sind beide Elternteile mit der Obsorge betraut und leben sie nicht in häuslicher Gemeinschaft, so haben sie festzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Außerdem muss der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, vorbehaltlich des § 158 Abs. 2, mit der gesamten Obsorge betraut sein. Im Fall des Abs. 3 kann die Obsorge des Elternteils, in dessen Haushalt das Kind nicht hauptsächlich betreut wird, auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt sein.

    Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen § 92 StGB

    (1) Wer einem anderen, der seiner Fürsorge oder Obhut untersteht und der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlos ist, körperliche oder seelische Qualen zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

    (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer seine Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut einem solchen Menschen gegenüber gröblich vernachlässigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, dessen Gesundheit oder dessen körperliche oder geistige Entwicklung beträchtlich schädigt.

    (3) Hat die Tat eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, hat sie den Tod des Geschädigten zur Folge, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

    Verjährung der Strafbarkeit § 57 StGB

    (1) Strafbare Handlungen, die mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie strafbare Handlungen nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt verjähren nicht. Nach Ablauf einer Frist von zwanzig Jahren tritt jedoch an die Stelle der angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren. Für die Frist gelten Abs. 2 und § 58 entsprechend.

    (2) Die Strafbarkeit anderer Taten erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört.

    (3) Die Verjährungsfrist beträgt

    zwanzig Jahre,

    wenn die Handlung zwar nicht mit lebenslanger Freiheitsstrafe, aber mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

    zehn Jahre,

    wenn die Handlung mit mehr als fünfjähriger, aber höchstens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

    fünf Jahre,

    wenn die Handlung mit mehr als einjähriger, aber höchstens fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

    drei Jahre,

    wenn die Handlung mit mehr als sechsmonatiger, aber höchstens einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

    ein Jahr,

    wenn die Handlung mit nicht mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe oder nur mit Geldstrafe bedroht ist.

    (4) Mit dem Eintritt der Verjährung werden auch der Verfall und vorbeugende Maßnahmen unzulässig.

    Heimopferrentengesetz

    Nach dem Heimopferrentengesetz (HOG) gebührt „Heimopfern“ zwölf Mal jährlich eine monatliche Zusatzrente von EUR 300. Voraussetzung dafür ist, dass das ehemalige Gewaltopfer bereits eine Entschädigung einer Opferschutzeinrichtung erhalten hat.

    Eine weitere Möglichkeit besteht darin, gegenüber der Rentenkommission der Volksanwaltschaft darzulegen, Opfer von Missbrauch und Gewalt in einem Kinder- oder Jugendheim bzw. Internat, in einer Kranken-, Psychiatrie- oder Heilanstalt oder bei einer Pflegefamilie geworden zu sein. Auch Personen die Opfer eines Gewaltaktes in einer solchen privaten Einrichtung geworden sind haben Anspruch auf die Heimopferrente, wenn die Zuweisung durch einen Jugendwohlfahrtsträger (Jugendamt) erfolgt ist.

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