Wie kann ich sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erkennen?
Kinder und Jugendliche erfinden sexuelle Gewalt nicht, sprechen sie in den meisten Fällen jedoch nicht an. Oft sind sie noch nicht in der Lage zu verstehen, was mit ihnen passiert. Oft aber auch finden sie keine Worte für das, was ihnen widerfährt. Kinder und Jugendliche fühlen sich für die sexuelle Gewalt verantwortlich, zweifeln daran, ob ihnen geglaubt wird und fürchten die Konsequenzen, wenn sie sich jemanden anvertrauen, da sie von den TäterInnen zum Schweigen gebracht werden.
Der Verdacht, dass ein Kind oder Jugendlicher Opfer sexueller Gewalt geworden ist, löst große Unsicherheit aus. Es besteht Handlungsbedarf, doch was ist nun zu tun?
Bedachtes Handeln schützt das Kind/den Jugendlichen
Besteht der Verdacht sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, ist der erste Schritt bereits getan, nämlich sexuelle Gewalt als mögliche Ursache für Verhaltensänderungen des Kindes oder Jugendlichen heranzuziehen. Nun kann es hilfreich sein zu dokumentieren, welche Veränderungen im Verhalten des Kindes oder des Jugendlichen zu ihrem Verdacht führen und sich in den Austausch mit Personen zu begeben, die ebenfalls mit dem Kind vertraut sind. Wichtig dabei ist, dass Sie ihren Verdacht auf sexuelle Gewalt dabei nicht äußern. Dies könnte z.B. so aussehen: „Mir kommt vor, dass das Kind/der Jugendliche X sich irgendwie verändert hat. Wie siehst du das?“
Suchen Sie das Gespräch mit dem Kind oder Jugendlichen, ist es wichtig ruhig zu bleiben. Verspürt das Kind oder der Jugendliche, dass sie sehr aufgebracht sind, kann dies dazu führen, dass es/er sich Ihnen nicht mitteilt, um Sie zu schonen. Bohrendes Nachfragen wird von den Kindern und Jugendlichen jedoch als sehr belastend erlebt und sollte unbedingt vermieden werden. Zeigen Sie den Kindern und Jugendlichen, dass Sie jederzeit ein offenes Ohr für sie haben und ihre Grenzen respektieren.
Anzeichen sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche
Die Anzeichen für sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche können eindeutig oder weniger eindeutig sein, da jedes Kind/jeder Jugendliche anders auf sexuelle Gewalt reagiert. Die Folgewirkungen hängen zum einen von der Intensität und Dauer der sexuellen Gewalt, zum anderen von dem Ausmaß der Abhängigkeit zum/zur TäterIn, sowie den sonstigen sozialen Beziehungen der Kinder und Jugendlichen und deren Geschlecht ab. Eindeutige psychische Symptome gibt es nicht. Eindeutige körperliche Symptome, wie Verletzungen im Genital- oder Analbereich, Blutergüsse, Bisswunden oder Geschlechtserkrankungen sind nur selten erkennbar.
Dennoch ist es möglich sexuelle Gewalt zu erkennen, da Kinder und Jugendliche Reaktionen zeigen, die darauf hinweisen.
Offene oder verdeckte Hilferufe
Kinder und Jugendliche…
- zeigen ein großes Bedürfnis nach Sicherheit, beispielsweise möchten sie nicht mehr allein im Bett schlafen oder allein zu Hause bleiben und klammern sich stark an die Mutter oder Bezugsperson.
- haben plötzlich Angst vor bestimmten Personen oder Situationen. So möchte das Kind beispielsweise den Gitarrenunterricht nicht mehr besuchen, ohne dies begründen zu können.
- weisen unerklärliche, körperliche Beschwerden wie beispielsweise Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Hauterkrankungen auf oder fügen sich selbst Verletzungen zu.
- leiden an Alpträumen oder Schlafstörungen.
- zeigen ein verändertes Verhalten, beispielsweise lehnen sie plötzlich Zärtlichkeiten ab, nässen wieder ein, waschen sich sehr oft oder gar nicht, oder laufen von zuhause weg.
- weisen einen Leistungsabfall in der Schule sowie Konzentrationsstörungen auf oder bleiben der Schule fern.
- entwickeln Essstörungen, magern ab oder nehmen stark zu.
- erhalten besondere Geschenke oder Liebesbriefe.
- fertigen Abbildungen mit sexuellen Handlungen an, benutzen sexuelle Ausdrücke, erzählen sexuelle Geschichten, die ihrem Alter nicht entsprechen.
- wechseln häufig den Sportverein
- konsumieren Alkohol oder Tabletten.
- überschreiten selbst die sexuellen Grenzen anderer Mädchen oder Jungen, Buben haben oft Angst, selbst homosexuell zu sein.
Jede dieser Auffälligkeiten kann jedoch auf andere Ursachen zurückzuführen sein. In jedem Fall aber, sollten solche Veränderungen als Signal ernst genommen werden, dass das Kind oder der Jugendliche Probleme hat, die ihn belasten und wofür es/er Unterstützung benötigt.
Die direkte Aussage des Kindes oder des Jugendlichen
Schafft es ein Kind oder Jugendlicher sich jemanden hinsichtlich der sexuellen Gewalt anzuvertrauen, besteht die Möglichkeit, dass es nur einen Teil des Geschehenen berichtet oder das Erlebte in der dritten Person geschildert wird. Wichtig ist, überfordern Sie das Kind oder den Jugendlichen nicht mit Fragen, diese können als belastend erlebt werden, sondern bleiben sie ruhig.
Zeigen Sie Ihre Bereitschaft zuzuhören und signalisieren Sie dem Kind oder Jugendlichen, dass es/er selbst entscheidet, worüber, wann und mit wem gesprochen wird.
Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche betrifft – mehr – als eine Person tragen kann. Nehmen Sie Unterstützung in Anspruche. Hier finden Sie eine Liste spezialisierter Beratungs- und Unterstützungsstellen: (Hallo Sami, hier bitte den Link für den vorherigen Artikel „An wen kann ich mich wenden? Hilfe und Unterstützung für Betroffene“ einfügen. Danke!)