Die Covid-19-Pandemie: Intrafamiliäre sexuelle Gewalt

Die Covid-19-Pandemie: Intrafamiliäre sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche als Folge des Lockdowns

 

Am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation SARSCoV-2 zur Pandemie (World Health Organization, 2020). Zur Eindämmung des Virus wurden strenge Maßnahmen eingeführt, einschließlich der Schließung von Kindergärten, Schulen und der Aussetzung außerschulischer Aktivitäten (Royaume du Maroc, 2020). Während die Anzahl pädiatrischer Notfälle in diesem Zeitraum deutlich zurückgegangen ist (Mekaoui et al., 2020), wurde ein Anstieg der Kindesmisshandlungen festgestellt (Tener et al., 2020).

Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche innerhalb der Familie ist die häufigste Form der sexuellen Gewalt mit besonders schweren kurz- und langfristigen Folgen (Gekoski et al., 2016). Es wird angenommen, dass 3 bis 17 Prozent der Jungen sowie 8 bis 31 Prozent der Mädchen intrafamiliärer sexueller Gewalt ausgesetzt sind (Barth, 2013). Das tatsächliche Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche innerhalb der Familie kann jedoch nur angenommen werden, da sexuelle Gewalterfahrungen von den Betroffenen meist über einen langen Zeitraum oder gar nicht offengelegt werden (Gekoski et al., 2016).

Der aktuelle Anstieg an Kindesmisshandlungen kann auf die unmittelbaren Auswirkungen der Covid-19 Pandemie zurückgeführt werden (Tener et al., 2020). Familien sind zunehmenden finanziellen und umweltbedingten Belastungen ausgesetzt. Viele Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz und leiden unter extremen Stress im Zusammenhang mit dem Zugang zu Nahrungsmittel sowie zur Gesundheitsversorgung, mangelnder Kinderbetreuung, Isolation und Angst in Bezug auf die persönliche und zwischenmenschliche Sicherheit. Zudem kommt der Verlust zwischenmenschlicher Kontakte sowohl mit erweiterten Familienmitgliedern und Freunden als auch mit Personen, wie Erziehern, Lehrern, Therapeuten und anderen Erwachsenen.

Seit dem Ausbruch von Covid-19 und den damit einhergehenden Lockdowns saßen Familien größtenteils zuhause fest und verbrachten viel mehr Zeit miteinander als sonst. Eltern, die weiterhin ihrer Arbeit nachgehen mussten, verrichteten diese meist von zuhause aus. Ihre Kinder erhielten überwiegend Online-Unterricht, bei dem sie möglicherweise des Öfteren Hilfe benötigten. Zudem hatten Kinder keinen Zugang zu Sport- und Spielplätzen sowie anderen Freizeitaktivitäten, an denen sie normalerweise beteiligt sind und fühlten sich aufgrund der enormen Einschränkungen häufiger als gewöhnlich aufgeregt. Auch erweiterte soziale Unterstützungsnetzwerke, die normalerweise sehr in die Kinderbetreuung involviert sind, wie beispielsweise die Großeltern oder Babysitter waren größtenteils von den Familien abgeschnitten, in dem Versuch das Virus nicht auf diese zu übertragen. Über ein Drittel der Eltern, die weiterhin ihrer Arbeit nachgehen mussten, berichteten von großen Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Kinderbetreuungspflichten während des Lockdowns (Pew Research Center, 2020a). Davon insbesondere betroffen waren sozial gefährdete Bevölkerungsgruppen, wie Familien, die unter schwierigen Bedingungen leben und daher bereits vor Beginn des Lockdowns einem erhöhten Risiko intrafamiliärer sexueller Gewaltanwendung ausgesetzt waren (Wang et al., 2020).

Auf diesem Weg wurde während des Lockdowns eine soziale Isolation herbeigeführt, welche einen Risikofaktor für sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche darstellt (Elliott et al., 2005) und über einen langem Zeitraum aufrechterhalten wurde. Für von sexueller Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche bedeutet diese soziale Isolation, dass sie sich über mehrere Wochen oder gar Monate mit ihren Tätern zuhause gefangen wiederfinden und zudem nicht in der Lage sind, Hilfe bei Lehrern, Beratern sowie anderen außerschulischen Hilfseinrichtungen auf zu suchen.

Kinderschutz im Zusammenhang mit einer globalen Krise wie Covid-19 beinhaltet die Prävention von und Reaktion auf physische und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, Vernachlässigung und Ausbeutung (Impact of Pandemics and Epidemics on Child Protection Lessons Learned from a Rapid Review in the Context of COVID-19, 2020). Kinderschutzdienste bieten Unterstützung und Betreuung für Kinder und Eltern in normalen Zeiten, jedoch stellte Covid-19 eine unvorhergesehene enorme Herausforderung für die weitere Gewährung von Schutz, Unterstützung und Begleitung betroffener Kinder weltweit dar (Ispcan, 2022). Auch die Schließung von Kindergärten und Schulen erschwerten die Aufdeckung von sexueller Gewalt (De Cao & Sandner, 2020). Dies findet sich auch in den internationalen Daten von Kinderschutzeinrichtungen wieder, welche auf einen Rückgang an Melderaten zum Thema sexuelle Gewalt hinweisen. Daher sind aktive Schritte von Jugendämter während Covid-19 notwendig, um die Folge des Lockdowns für Kinder und Jugendliche zu überwinden (Katz, 2020).

 

 

 

 

 

Nach oben scrollen